Ein Haus tanzt aus der Reihe
Ungewöhnlich für ein normales Reihenhaus: Der Hauseingang, der ein Balkon ist und noch ein bisschen mehr. „ Das Ding da oben", erzählt der Hausherr, „das hat unser Architekt immer Balkon-Erker genannt". Im eher biederen Ensemble der rot verklinkerten münsterländischen Häuser ringsherum setzt der originelle Portalturm einen unübersehbaren Akzent. Eine präzise Bezeichnung für das „Ding" sucht der Bauherr eigentlich heute noch. „Bei manchen Besuchern sind schon Assoziationen an Landhäuser in den amerikanischen Südstaaten geweckt worden." Vielleicht finden die Nachbarn den Vorbau auch überkandidelt, weil sie noch immer nach dem satirischen „Katechismus der Münsterländer" aus dem Jahre 1835 handeln: „Du sollst auf alle Neuerungen schimpfen und hübsch beim Alten bleiben." Eigentlich wollte die Familie ja auch brav „beim Alten" bleiben: Für den Eingang der Doppelhaushälfte war eine neue Tür mit Überdachung vorgesehen.
Das Projekt passte gut in die langfristige Finanzierung des 1972 gebauten Hauses, so dass jetzt, trotz einiger kostenträchtiger Erweiterungen in den Vorjahren (Ausbau des Dachgeschosses, Wintergarten), wieder Spielraum für eine ästhetische Aufwertung des schlichten Bauträgerhauses bestand. Aber die marktüblichen Haustür-Serien missfielen dem Bauherrn: „Das waren zu viele postmoderne Fürchterlichkeiten." Sein Architekt Ludger Sunder-Plassmann aus Münster skizzierte die optische Leitidee: Der quergestreckte, etwas geduckte Baukörper sollte durch eine kräftige Vertikale aufgebrochen werden. Zwei haushohe, achteckige Holzpfosten tragen einen Minibalkon vor dem neuen Türfenster am Bad und das energische Dach. In einem Zug wurde das Bad ausgebaut: Weißer Marmor, dezente Jugendstil-Elemente und das Licht der Morgensonne, das durch den Umbau nun in vitalisierender Fülle einströmen kann, verdichten sich zu einer Atmosphäre, in der jeder Tag heiter beginnt. Allein schon die Dusche stimuliert gute Laune: Sie ist dachfirsthoch – und oben erlaubt ein elektrisch zu öffnendes Dachfenster den Licht- und Luftkaskaden, das Dachvergnügen noch zu steigern: „Als junges Paar haben wir seinerzeit ein, Haus von der Stange gekauft, weil unsere Mittel knapp waren. Jetzt machen wir Stück für Stück etwas Schickes draus." Die Umzugspläne, die vor einigen Jahren aufkamen, als die drei Kinder mehr Platz beanspruchten, sind längst ad acta gelegt. Mit Herzblut gezeichnet waren die eigenen Entwürfe für die neue Eingangstür: Jugendstilreminiszenzen. „Ich könnte noch Jahre hier weiterbauen", meint der Hausherr, „mir fällt immer noch etwas ein." Und dann geht der Blick wieder hinauf zu dem kleinen Balkon zwischen den Portal-Säulen: „Eigentlich müsste man hier noch 'ne Fahnenstange anbringen und die Fahne aufziehen, wenn wir da sind.“
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